Programmwerkstatt

Blog Soziale Demokratie Netz

16. November 2020

Das Soziale-Demokratie-Netz hat sich mit drei Vorschlägen an der Programmwerkstatt der SPD beteiligt. In der Programmwerkstatt konnten Parteimitglieder bis zum gestrigen 15. November 2020 Ideen für ein SPD-Regierungsprogramm entwickeln und vorschlagen. Die gesammelten Vorschläge sollen nun nach Aussage des Generalsekretärs das Gerüst werden, aus dem das Programm der SPD für die kommende Bundestagswahl entstehen soll.

Unsere drei Vorschläge für die Programmwerkstatt der SPD

  • "Wirtschaftspolitik muss den Wert der Arbeit sichern und so für Leistungsgerechtigkeit sorgen"

  • "Bildungsoffensive für gleiche Bildungschancen mit höherer Erbschaftssteuer finanzieren"

  • "Mobilitätsgarantie: Zugang zu Infrastruktur, unabhängig vom Wohnort und Geldbeutel, das ist gelebte Gerechtigkeit"

Vorschlag 1: "Wirtschaftspolitik muss den Wert der Arbeit sichern und so für Leistungsgerechtigkeit sorgen"

Problembeschreibung

Deutschlands Reichtum wird von denen geschaffen, die mit ihrer eigenen Hände Arbeit, ihrem Können und Geschick, ihren Qualifikationen und ihrer Kreativität Werte schaffen. Als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin, als Unternehmer oder Unternehmerin. In Form von Produkten oder Dienstleistungen. In bezahlter oder unbezahlter Arbeit in Familien. Die Schultern dieser Menschen tragen viel. Für die allermeisten ist das eine Selbstverständlichkeit. Sie klagen nicht, sondern fragen sich, wie sie die nächste Herausforderung bewältigen können. Diese Einstellung hält unser Land am Laufen. Die Digitalisierung, Globalisierung, Konkurrenzdruck aus Ländern mit anderen Wettbewerbsbedingungen und die ungleiche Verteilung von Kapital und Vermögen im Inland fordern unsere Arbeitsgesellschaft heraus. Unser Wirtschaftsmodell ist in Gefahr, wenn Leistungsgerechtigkeit nicht mehr gegeben ist. Wenn Löhne nicht zum Leben reichen und unfairer Wettbewerb die Arbeit von Monaten und Jahren zunichte macht. Wenn Staatskonzerne aus anderen Ländern mit unbegrenzt Kapital im Rücken mit europäischen klein- und mittelständischen Unternehmen konkurrieren. Wenn manche nicht an nötige Kredite kommen und andere nur das Familienvermögen anzapfen müssen. Wenn Steuern gezahlt werden, aber die öffentliche Infrastruktur nicht leistet was erforderlich ist. Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist es entscheidend, dass die Perspektive der arbeitenden Mitte unserer Gesellschaft unsere Wirtschaftspolitik leitet.

Was diskutiert werden soll

Wir brauchen eine neue Wirtschaftspolitik, die das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit in das Zentrum stellt. Leistung muss sich lohnen und Leistung muss geschützt werden. Es geht um die praktischen Themen derjenigen, die Werte schaffen - egal ob als Arbeitnehmer oder Unternehmer. Im Zentrum steht der Anspruch, die zu stärken, die Werte schaffen und die in die Verantwortung zu nehmen, die Werte abziehen, vernichten oder sie sich mit unfairen Methoden aneignen.

Vier Themenkreise stehen besonders im Vordergrund:

  • Gestaltung der digitalen Arbeitswelt: Schutz vor Monopolisten, Rechte an den eigenen Daten, Mitbestimmung, Stellung kleiner Unternehmen gegenüber großen Plattformen, Stärkung des Einzelhandels.

  • Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt: Mindestlohn, Vorgehen gegen Lohndumping, Rechte von Arbeitnehmern ohne Tarifvertrag und neuen Selbstständigen.

  • Öffentliche Güter und Dienstleistungen: Öffentliche Auftragsvergabe, öffentliche Infrastruktur, Energiesicherheit und Absicherung der Energiewende, Digitale Infrastruktur, Forschungstransfer, europäische Cloud.

  • Fairer Wettbewerb: Zugang zu Kapital, Schutz vor Zahlungsausfall, Betrug und Wirtschaftskriminalität, Kampf gegen Steuerhinterziehung; Übernahmen aus dem Ausland.

Vorschlag 2: "Bildungsoffensive für gleiche Bildungschancen mit höherer Erbschaftssteuer finanzieren"

Problembeschreibung

Die Bildungschancen in Deutschland sind extrem ungleich verteilt, die soziale Mobilität mit am geringsten von allen Industrieländern. Nur 21 Prozent der Nicht-Akademikerkinder beginnen überhaupt ein Studium, acht Prozent erreichen einen Masterabschluss. Kinder aus einkommensschwachen Familien brauchen im Schnitt sechs Generationen um ein mittleres Einkommen zu erreichen. Die Chancenungleichheiten am Lebensanfang werden am Lebensende nochmal verstärkt: Über die Hälfte aller privaten Vermögen in Deutschland wurde nicht durch der eigenen Hände Arbeit, sondern durch Erbschaften und Schenkungen erzielt. Nur wenig mehr als jede oder jeder Dritte erbt überhaupt ein Vermögen. 16 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben dagegen überhaupt kein Vermögen oder sind sogar verschuldet.

Was diskutiert werden soll

Die Bundesregierung kann einiges tun um für gerechtere Bildungs- und Aufstiegschancen in Deutschland zu sorgen. Es geht um fünf grundsätzliche Maßnahmen:

  1. Die SPD hat durchgesetzt, dass das Kooperationsverbot wieder gelockert wird. Dem Bund ist es nun wieder möglich, den Ländern Finanzhilfen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur zu gewähren. So wurden bereits 5 Mrd. Euro im Rahmen des Digitalpakts Schule vom Bund an die Länder gegeben. Ein Riesenerfolg der SPD. Nun müssen die neuen Möglichkeiten für eine Qualitätsoffensive in der kommunalen Bildungsinfrastruktur weiter genutzt werden: In Deutschland gibt es 8,3 Millionen Schülerinnen und Schüler. Um die schulischen Möglichkeiten mit 500 Euro pro Schüler pro Jahr zu verbessern sind Investitionen von 4 Mrd. Euro jährlich erforderlich.

  2. Die Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder und Jugendliche aus Familien im ALG II Bezug sollte erhöht werden und später in einer neuen Kindergrundsicherung, die auch das Kindergeld umfasst, aufgehen.

  3. Alle jungen Menschen bekommen einen Anspruch auf einen zinslosen Startkredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der für das Studium, die Rückzahlung von BaföG Leistungen, die Finanzierung einer Meisterprüfung, als Eigenmittel für Wohneigentum, die Begründung einer Selbständigkeit oder ähnliches eingesetzt werden kann. Damit sollen alle jungen Menschen, unabhängig davon ob sie in den Genuss einer Erbschaft kommen können oder nicht, die Chance auf den Aufbau eines eigenen Vermögens bekommen.

  4. Gemeinsam mit allen Trägern sollen die Volkshochschulen zu digitalen Bildungszentren ausgebaut werden. Diese Volkshochschulen 4.0 sollen vor Ort und digital allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, ihre digitalen Kompetenzen weiterzuentwickeln.

  5. Als Beitrag zur Finanzierung der Bildungsoffensive und als weiteren Beitrag zur Generationengerechtigkeit soll die Steuer auf sehr hohe Erbschaften erhöht werden.

Vorschlag 3: "Mobilitätsgarantie: Zugang zu Infrastruktur, unabhängig vom Wohnort und Geldbeutel, das ist gelebte Gerechtigkeit"

Problembeschreibung

Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist ein zentrales und im Grundgesetz verankertes Selbstverständnis deutscher Politik. Die von der Bundesregierung im Jahr 2018 eingesetzte Kommission hat zur Umsetzung des Ziels gleichwertiger Lebensverhältnisse Analysen zusammengestellt und Ziele formuliert. Die Ausführungen der Kommission nehmen neue Entwicklungen wie zum Beispiel die steigende Bedeutung des Zugangs zu schnellem Internet bereits in den Blick. Sie umfassen auch die Förderung von flächendeckender Inklusion, zum Beispiel bei der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung, und widmen sich zudem Fragen der Kinderbetreuung und des zivilen Engagements. Gleichzeitig werden diese (vergleichsweise) “neuen” Probleme und Herangehensweise weiterhin aus der Perspektive eines traditionellen Verständnisses von “Strukturschwäche” als Differenz Stadt-Land und Boomregion-Abstiegsregion betrachtet. Dies führt auch zu einer weiterhin ausgeprägten Betonung von Bauen und Ausbauen im Sinne von “Beton”-Infrastruktur als Antwort auf Defizite bei der Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse.

Der Fokus auf regionale Unterschiede, die Betonung des Bauens, sowie das fragmentierte Nebeneinander verschiedener Zielsetzungen, so richtig sie einzeln sind, verhindert die Entwicklung eines umfassenden Verständnisses und flexibler Maßnahmen, die den gleichberechtigten Zugang zu Infrastruktur ermöglichen. Mit dieser Herangehensweise gelingt es zudem nicht, über regionale Unterschiede hinausgehende Probleme des Zugangs zu Infrastruktur zu berücksichtigen. Der Zugang zu schnellem Internet zum Beispiel ist ein Problem für Jugendliche auf dem Lande, wo der Breitbandzugang fehlt. Es ist aber auch ein Problem für die mehrköpfige Familie in Berlin, die sich keine drei Tablets leisten kann, um ihren Kindern digitales Lernen zu ermöglichen.

Was diskutiert werden soll

Die Herstellung “gleichwertiger Lebensverhältnisse” ist ein wichtiger Ansatzpunkt sozialdemokratischer Politik für Gerechtigkeit, Solidarität und täglich gelebte Freiheit. Mobilität ist die Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse, weil sie den Zugang zu relevanter Infrastruktur und allen Aspekten unseres sozialen Lebens ermöglicht.

Die SPD fordert eine Mobilitätsgarantie. Dies ist ein individuelles Recht und nicht ein Versprechen von Reparaturmaßnahmen für verschiedene Regionen oder Klientele. Das ermöglicht zielgenaue und je nach Region und sozialer Lage unterschiedliche Maßnahmen. Mobilität kann so konkret und umfassend gemessen werden - durch einen Mobilitätsindex, der den Gesamtumfang der vorhandenen Mobilität und die bestehenden Mobilitätsbarrieren abbildet. Die Mobilitätsgarantie bevorzugt keine bestimmten Gruppen und Mobilitätsinstrumente. Die SPD nutzt verschiedene Instrumente, um allen unabhängig von ihrer jeweiligen Lebenslage Mobilität zu ermöglichen.

Um das Ziel gleichberechtigter Mobilität zu erreichen, sollte eine neue Bundesregierung auf der Grundlage der bisherigen Arbeit der “Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse” neue Akzente setzen: ein umfassenderes Verständnis von Mobilität (digital und klassisch) verankern, einen Mobilitätsindex entwickeln, und eine Mobilitätsgarantie geben, auf die alle relevanten Maßnahmen ausgerichtet sind. So sollen zum Beispiel Infrastruktur-Maßnahmen des Bundes darauf geprüft werden, ob sie den Zugang zu Mobilität effektiv verbessern (gemessen auf der Grundlage des Mobilitätsindex). Maßnahmen mit einer hohen positiven Wirkung auf die Verwirklichung einer Mobilitätsgarantie sowie Maßnahmen für Menschen, die aktuell in ihrer Mobilität besonders eingeschränkt sind, bekommen eine höhere Priorität und zusätzliche Mittel.